Der Zauberer vom Cobenzl – Bettina Balàka

Eine Rezen­sion von Maria Aschenwald

Der Zauberer vom Cobenzl – so wird Carl Ludwig Frei­herr von Reichen­bach wegen seiner geheim­nis­vollen Expe­ri­mente im Volks­mund genannt. Er geht nachts mit soge­nannten „Sensi­tiven“ auf Fried­höfe, um wissen­schaft­liche Beweise für das „Od“ zu finden. Jene dem Magne­tismus ähnliche alles durch­drin­gende Lebens­kraft, die von beson­ders begabten Menschen im Dunkeln angeb­lich als Licht­erschei­nungen wahr­nehmbar ist. Dabei assis­tiert ihm anfangs seine ältere Tochter Hermine, die Ich-Erzäh­lerin und Haupt­figur des histo­ri­schen Romans von Bettina Balàka.
Reichen­bach, der sich aus ärmli­chen Verhält­nissen zu Wohl­stand und Erhe­bung in den Adels­stand hoch­ge­ar­beitet hat, ist von unbän­digem Wissens­drang getrieben. Er entwi­ckelt neuar­tige Verfahren, betreibt Höhlen­for­schung, legt eine Meteo­ri­ten­samm­lung an.
Seine Töchter Hermine und Ottone wachsen behütet auf und werden von ihm in ihren Bega­bungen sehr geför­dert. Hermine ist schon früh begeis­tert von der Wissen­schaft, von Entde­ckungen und Erfin­dungen, inter­es­siert sich vor allem für Pflanzen und die Natur. Sie legt mit Unter­stüt­zung des Vaters ein umfas­sendes Herba­rium an und kann aufgrund von Empfeh­lungen aner­kannter Bota­niker, mit denen sie Kontakt pflegt, am Joan­neum in Graz studieren. Ottone hingegen liebt Musik und Spra­chen und bringt es darin zu Meis­ter­schaft.
Verluste und Demü­ti­gungen, die zuneh­mende Fixie­rung auf die Bestä­ti­gung seiner These der Exis­tenz des „Od“ verhärten den Grafen. Seine Töchter entfremden sich und gehen letzt­end­lich ihrer eigenen Wege.

Auf histo­ri­schen Tatsa­chen beru­hend und sehr gut recher­chiert erzählt die Autorin aus einer Zeit des Umbruchs. Erfin­dungen und Entde­ckungen verän­dern das Leben und es ist auch die Zeit der Revo­lu­tion von 1848 und ihrer Nieder­schla­gung, welche die Schwes­tern prägt. Es ist die Zeit in der die Möglich­keiten der Frauen sehr begrenzt sind und sich doch erste Auf- und Ausbruchs­ver­suche aus diesen engen Korsetten ereignen. Wissen­schaft­liche Arbeit, wie sie Hermine ermög­licht wird, ist die abso­lute Ausnahme – sie kann nicht unter ihrem Namen publi­zieren und mit ihrer Heirat ist die wissen­schaft­liche Karriere beendet.
Gera­dezu aktuell erscheint die Frage nach der Grenze zwischen Wissen­schaft und Pseu­do­wis­sen­schaft – das Abgleiten des anfangs streng an wissen­schaft­li­chen Krite­rien orien­tierten Vaters in die Esoterik.

Ein span­nender und sehr inter­es­santer Roman, wunderbar und mit feiner Ironie erzählt. Sehr schön sind die Natur­schil­de­rungen und origi­nell ist die Glie­de­rung: Jedes Kapitel ist mit einem Wort über­schrieben, das nach Art eines Lexi­kons defi­niert und erklärt wird – entweder streng wissen­schaft­lich „Mimese, die. Substantiv, feminin: Täuschende Nach­ah­mung. Tarnung, bei der ein Lebe­wesen Form und Farbe seiner Umge­bung annimmt (S 71) oder ironisch „Frau, die, Substantiv, feminin: Mytho­lo­gi­sche Figur. Histo­ri­scher Nach­weis konnte nicht erbracht werden.“ (S 205)

Bettina Balàka lebt als freie Schrift­stel­lerin in Wien. Für ihre zahl­rei­chen Buch­ver­öf­fent­li­chungen, Thea­ter­stücke und Hörspiele wurde sie mit mehreren wich­tigen Lite­ra­tur­preisen ausgezeichnet.

 

Maria Aschen­wald, im Februar 2024

Für die Rezen­sionen sind die jewei­ligen Verfas­se­rInnen verantwortlich.

 

Bettina Balàka: Der Zauberer vom Cobenzl
Haymon Verlag, Inns­bruck 2023
248 Seiten
19,90 EUR
ISBN  978–3‑7099–8207‑5

 

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