Daddy Issues – Dino Pešut

Eine Rezen­sion von Cornelia Stahl

Ein Rütteln an tradierten (Geschlechter)Rollen

Der kroa­ti­sche Drama­turg Dino Pešut, Jahr­gang 1990, hat einen Roman über das Leben als schwuler Mann in Kroa­tien verfasst. Das Buch erschien zunächst auf Kroa­tisch und liegt nun in der Über­set­zung von Alida Bremer in deut­scher Version vor.
Darin geht es um Luca, dessen Namen wir erst im zweiten Abschnitt der Lektüre erfahren, und der Teil der Gene­ra­tion Why ist (Das sind die zwischen 1980 und Ende der 1990er Gebo­renen). Der Hoch­schul­ab­sol­vent und Künstler arbeitet als Rezep­tio­nist in einem Hotel. Seine Bezie­hungen zu Männern sind von kurzer Dauer, man könnte ihm eine Bezie­hungs­un­fä­hig­keit nach­sagen.
Dass Selbst­ver­trauen und Klasse inein­an­der­greifen, lässt der Autor im Subtext anklingen. Lucas Vater entstammt der Arbei­ter­klasse und leidet unter mangelndem Stolz und Selbst­ver­trauen. Ähnlich ergeht es dem Sohn, der Gedichte schreibt, es jedoch nicht wagt, sie der Öffent­lich­keit preis­zu­geben. Hinzu kommt seine Homo­se­xua­lität, die der (scheinbar) libe­ralen Gesell­schaft als Instru­ment der Ausgren­zung dient.
Verluste reihen sich anein­ander: Luca verliert seinen Job im Hotel, seine Freunde über­sie­deln ins Ausland oder gründen eine Familie. Alle Versuche, in Berlin ein neues Leben aufzu­bauen, schei­tern. Unste­tig­keit höhlt ihn von innen aus, häufige Wohnungs­wechsel folgen: Ich verlasse die 15. Wohnung inner­halb der letzten zehn Jahre, S.110.
Die Rück­kehr in die Provinz, ins elter­liche Haus, konfron­tiert ihn mit persön­li­chen Kind­heits­er­in­ne­rungen und mit dem krebs­kranken Vater, den er pflegt. Eine Kind­heit, die gezeichnet war von der Abwe­sen­heit des Vaters und der alko­hol­kranken Mutter, die Probleme verdrängte und im Alkohol „ertränkte“. Das Verstummen der Eltern prägt Luca bis ins Erwach­se­nen­alter. Gespräche mit dem erkrankten Vater miss­lingen.
Der in kurzen Kapi­teln verfasste Roman liest sich rasant. Pešut bringt Geschlechter- und Klas­sen­fragen aufs Tapet und stellt sie infrage. Der Autor verknotet Gegen­wart und Vergan­gen­heit gekonnt mitein­ander und liefert Einblicke in die gegen­wär­tige Gesell­schaft Kroatiens. 

 

Cornelia Stahl, April 2023

Für die Rezen­sionen sind die jewei­ligen Verfas­se­rInnen verantwortlich.

 

Dino Pešut: Daddy Issues.
Wien: Verlag Text/Rahmen 2022
200 Seiten
16 EURO
ISBN: 978–3- 9033 6505–6

 

Mehr zum Verlag
Mehr zum Buch
Mehr zum Autor
Mehr zur Rezensentin