Den König spielen die anderen. Ein Frag­men­ta­rium. – Christa Nebenführ

Eine Rezen­sion von Cornelia Stahl

Zwischen Erin­ne­rung und Versöh­nung
Wie viele und welche Erin­ne­rungen an die Eltern bleiben in uns zurück, wenn wir selbst älter werden?
„Ich erin­nere mich gern an meinen Vater, der eines Tages einfach fort­ge­flogen ist“, resü­miert Chris­tian Futscher in seinem Buch „Mein Vater, der Vogel“ (2021) und fasst seine Gedanken an ihn kompri­miert mit diesem einen Satz zusammen.
Bei Christa Neben­führ bestimmt ein anderer Sprach­duktus die Ausein­an­der­set­zung mit der Vater­figur, die wie ein König über der Familie thront und das Geschehen domi­niert.
Ein Frag­men­ta­rium, eine Samm­lung aus sehr persön­li­chen Tage­buch­ein­trägen und Erzäh­lungen der Autorin geben intime Einblicke ins fami­liäre Wohn­zimmer einer Familie und in die Seelen der Protagonist*innen. Und das liest sich wie folgt:
Tage­buch­ein­trag 05.02.1986
Heute Morgen erwähnte ich (…) Hand­wer­ker­an­ge­bote des Arbeits­lo­sen­in­te­gra­ti­ons­pro­jekts „Wabe“ und Vater begann damit, dass es die größte Kata­strophe sei, dass ich diese Wohnung genommen habe, was da noch alles kaputt sein könnte (…) und immer wieder könne er mir nicht Geld für eine Studen­ten­bude geben, S.82.
Mitunter bleibt den Leserin*innen der Atem weg, und Lese­pausen müssen einge­legt werden, um Nega­tiv­mel­dungen zu verar­beiten, wie folgendes Beispiel zeigt:
Ende Juli ist es wieder so weit. „Die Mutter ist abgängig“. „Nein“, denke ich. Ich werde mich diesmal nicht platt­ma­chen lassen (…), werde nicht alle Kontakte anzapfen, um für meine Mutter die beste Therapie zu finden, S.96.
Am Ende scheint so etwas wie Versöh­nung in Sicht. Am Begräb­nistag erhält Neben­führ die Karte einer ihr fremden Frau, die betont, die schönen Stunden mit dem Vater niemals zu vergessen. Die rasche Antwort der Autorin bedarf keiner Deutung, da sie für sich spricht: Und ich die Angst, die ich ein Leben lang vor ihm hatte, auch nicht, S.233.
Ein Roman, der unter die Haut geht und eigene Erin­ne­rungen an die Eltern zutage fördert.

 

Cornelia Stahl, im September 2023

Für die Rezen­sionen sind die jewei­ligen Verfasser*innen verantwortlich

  

Christa Neben­führ: Den König spielen die anderen.
Ein Frag­men­ta­rium.
Wien: Klever Verlag 2023
234 Seiten.
24,00 €
ISBN: 978–3- 903110946

 

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