Fleckenverlauf. Ein Tage- und Arbeitsbuch – Terézia Mora
Eine Rezension von Cornelia Stahl
Ein Schreiben, das Spuren hinterlässt.
„Nicht sterben“ – Terézia Moras prägnanter Titel der Frankfurter Poetikvorlesung von 2014 haftete lange Zeit in meinem Gedächtnis, insbesondere ihre Einführung: Aus der Höhle kommen. Eine Autorin, von der ich mehr lesen wollte. Folglich lag es nahe, ihre Neuerscheinung zu rezensieren.
In Fleckenverlauf sind wir Teilhabende jener Tagebucheinträge Terézia Moras von Dezember 2014 bis Mai 2020, einer Schriftstellerin, mehr noch, einer Büchner-Preisträgerin.
Die Notate, zunächst als banale Alltagsskizze gedeutet, entblättern nach mehrmaligem Lesen einen Fundus an Material, dessen Oberfläche sich erst nach und nach erschließt, zersplitterte Details und Miniaturen offenlegt. Beispiel dafür:
„26.August 2016: Fertőrákos: Ein Hof, ein Mädchen, ein Puppenwagen. Als wäre es irgendwann früher oder irgendwo anders“ (S.120).
Einige Textfragmente stehen separat, andere wiederum werden durch Fotos der Autorin ergänzt. Fleckenverlauf versammelt mehrere Genres: Texte, Fotos, Listen, (übersetzte) Gedichte, Briefe und Notate.
Moras Sprache ist schnörkellos. Mitunter war ich überwältigt von der schonungslosen Authentizität, mit der uns die Autorin konfrontiert.
„11.Oktober 2017: Wenn die Traurigkeit wie eine schwarze Wolke … dich plötzlich einkreist (S.178).
Und es ist diese Schonungslosigkeit, mit der Mora von ihrem Dasein als Schriftstellerin erzählt, gelegentlich klagt. Ein unbequemes Leben, das Flecken an Körper und Seele hinterlässt, innen wie außen.
Ein Tage- und Arbeitsbuch, das Lesepausen verträgt. Eine unbedingte Leseempfehlung!
Cornelia Stahl, Jänner 2022
Für die Rezensionen sind die jeweiligen VerfasserInnen verantwortlich.
Terézia Mora: Fleckenverlauf. Ein Tage- und Arbeitsbuch
München: Luchterhand Verlag 2021
286 Seiten
22,70 EUR
ISBN: 978–3‑630876696