hier: Gedicht – Julia Costa
Eine Rezension von Kathrine Bader
Nun liegt die erste Einzelveröffentlichung der jungen Autorin und Singer-Songwriterin Julia Costa vor. Es ist das Langgedicht hier. Dem Jahreskreis entsprechend ist es in zwölf kapitelartige Abschnitte gegliedert, die jeweils den Namen eines Monats tragen. Doch sind es nicht bloß die bekannten Benennungen, sondern auch nur regional verbreitete. Zum Beispiel heißt der Januar auch: Wolfsmonat, Eismond, Hartmond sowie Schneemond.
An ein nicht weiter bezeichnetes Du sind Empfehlungen, Ermutigungen und Fragen gerichtet. Dieses Du wird aufgefordert hinzuschauen, was genau hier und jetzt vor seinen Augen und Ohren geschieht:
hier ist das Leben
die Schatten der Wolken
die Stimmen der Vögel
(Seite 6)
Meist ist es das Unscheinbare, an dem man häufig achtlos vorbeigeht, auf das diese „Stimme“ hinweist:
schau, das sollst du sehen
die Löwenzahnblüten in der Wiese
ein Rabe unter einem Baum
der letzte Schnee
(Seite 31)
Blütenstaub in jeder Wasserlache
in jeder Ritze
(Seite 59)
In den Pflanzenbezeichnungen blitzt das Fachwissen der gelernten Bio-Gärtnerin auf, die gerade eine Ausbildung zur Sozialpädagogin absolviert:
Paeonia
Pfingstrose
(Seite 52)
Euphrasia
Augentrost
Sorbus aucuparia
Vogelbeere, Eberesche
(Seite 60)
Das angesprochene Du lässt sich deuten als Geflüchtete*r, aus der Heimat Vertriebene*r. Als sich selbst als „Ausgewanderte“ Bezeichnende fühlt sich Costa in Entwurzelung und Heimatlosigkeit empathisch ein, ist sie doch in Innsbruck geboren und lebte lange in der Schweiz, deren Schwyzerdütsch sich in ihren Liedern wiederfindet.
In einem Gespräch äußerte die Autorin, die zwölf Monate würden für sie ein Trauerjahr darstellen, das nach einem schweren Verlust zu durchlaufen ist.
hier
eine grimmige Stadt
wie du dich nach Hause sehnst
und nicht weißt, wo das ist
und wie viel davon noch existiert
oder ob es hier ist
und du es nicht siehst
(Seite11)
bist du müde?
dann sitz eine Weile hier
sitz hier im Staub
trag diesen Druck in der Brust
als wäre er ein Körperteil
(Seite 35)
Kathrine Bader, September 2023
Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser*innen verantwortlich.
Julia Costa: hier- Gedicht
Innsbruck-Wien: Edition Keiper 2023
84 Seiten
16,50 EUR
ISBN-13: 978–3‑903323–87‑5
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