Wech­sel­hafte Jahre – Bettina Balàka (Hg.)

Eine Rezen­sion von Barbara Rieger

Bettina Balàka hat vier­zehn Autor­innen einge­laden, für diese Antho­logie Texte rund um das Thema Älter­werden beizu­steuern. Die teils essay­is­ti­schen, teils narra­tiven Texte stammen von Zdenka Becker, Alida Bremer, Ruth Cerha, Ulrike Draesner, Barbara Frischmuth, Mari­anne Gruber, Barbara Honig­mann, Margret Kreidl , Katja Oskamp, Sabine Scholl, Marlene Stre­eru­witz, Katrin Seddig, Linda Stift und Renate Welsh. Mit dem Beitrag von Barbara Hundegger ist auch Lyrik vertreten. Einer der Beiträge stammt von der Heraus­ge­berin Bettina Balàka selbst.
„Altsein ist relativ” hält diese im Vorwort fest und erin­nert uns daran, dass Stewar­dessen bis zum Ende der 1970er-Jahre schon mit 27 als zu alt für ihren Job galten. Wer am Rollator geht, mag zwar alt sein, ist aber noch nicht am Ende, verdeut­licht uns Katja Oskamp im ersten Beitrag. Im öffent­li­chen Diskurs geht es aller­dings meist um die repro­duk­tive Phase, also um die erste Hälfte des Frau­en­le­bens. Doch was passiert, wenn „die Falle“ plötz­lich offen­steht?
Die Falle, das sind die tausend­fach zu bestü­ckenden Buffets, wie es beispiel­weise Katrin Seddig in ihrem Beitrag beschreibt. Oder wie es Linda Stift formu­liert: „Und auf einmal sitzt einer ein alter Hut auf dem Kopf.” Oder was Alida Bremer als Gemein­sam­keit zwischen ihr, einer Migrantin, die in einer Fremd­sprache schreibt, und den Frauen von Virginia Woolf iden­ti­fi­ziert: „Die Tatsache, dass eine Frau pro Kind mindes­tens sechs Jahre ihres erwach­senen Alters opfert, was für eine intel­lek­tu­elle oder künst­le­ri­sche Karriere sehr viel ist.“
Wenn also die Falle offen­steht und eine den Hut ablegen kann, wenn der Vater der Kinder sich womög­lich „einen neuen Spiegel”, das heißt, eine jüngere Frau gesucht hat? Dann stellt sich nicht nur die Frage: „Wer will die Alte denn noch sehen?”(Katrin Seddig), dann bleibt da nicht nur eine gewisse Leere und eine gewisse Verun­si­che­rung, eine Sprach­lo­sig­keit, was Körper­vor­gänge betrifft, viel­leicht sogar Scham, den eigenen älter werdenden Körper betref­fend.
Dann ist da auch Raum für Frei­heit, für das Ablegen aller Hüllen und Zuschrei­bungen: „Entpup­pung” lautet der Titel der Kurz­ge­schichte von Ruth Cerha, „Nackt sein”, der von Sabine Scholl. In vielen Texten wird Mut und Zuver­sicht spürbar, das Gefühl (als Frau und als Autorin), nicht nur etwas geschafft zu haben, sondern auch noch etwas schaffen zu können, nicht zuletzt das Allein­sein. Oft wird der Fokus in den Beiträgen auch auf die eigene Mutter, das eigene Aufwachsen gerichtet und manchmal geht es auch um das Ende, um das, was nach dem Rollator kommt.
Die Lektüre dieser viel­fäl­tigen und zum Teil sehr persön­li­chen Texte wühlt auf und tröstet, macht traurig und glück­lich zugleich!
„Ich wünschte geheime Zimmer für den Zustand des Weib­li­chen und große Markt­plätze der Verkün­di­gung davon.” schreibt Marlene Stre­eru­witz. Die Antho­logie ist ein Schritt in diese Richtung.

 

Barbara Rieger, im Oktober 2023

Für die Rezen­sionen sind die jewei­ligen Verfas­se­rInnen verantwortlich.

 

Bettina Balàka (Hg.): Wech­sel­hafte Jahre
Wien: Leykam 2023
204 Seiten
24,50 EUR
ISBN 978–3‑7011–8263‑3

 

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