Kein Flugzeug am Himmel. Momentaufnahmen – Irene Wondratsch
Eine Rezension von Brigitta Höpler
„Zartblauer Himmel mit weißen Wolkenstreifen. Stille, nur Vogelstimmen. Hellgrüne Birken. Die Blätter der Kastanien hängen wie zusammengefaltete Schirmchen. In zwei, drei Wochen werden sie sich entfalten. Die Kerzen sind noch ganz klein. Kein Flugzeug am Himmel“, schreibt Irene Wondratsch am 15. April 2020.
Einen Monat nach Beginn des ersten Lockdowns beginnt sie mit ihren Aufzeichnungen, so einer Art Journal in kurzen Prosastücken. Vorangesetzt immer das Datum, eine Ortsbezeichnung oder eine kurze Überschrift. Der Lainzer Tiergarten, Schönbrunn, die Donauinsel, Kirschengasse, Messehalle C. Im Badezimmer, Im Garten, Im Wohnzimmer, Im Vorzimmer, Am Küchentisch.
Sie schreibt gegen die Ereignislosigkeit gelockdownter Zeit, gegen die Einsamkeit, gegen aufkommende Ängste, gegen die auf den Kopf fallende Decke.
Die verschachtelten Häuser vor ihrem Fenster werden zu einem Bild von Miró, die Familienfotos an der Wand entwickeln ein Eigenleben, Gegenstände lassen die Erinnerungen mäandern, ein Kran führt in die Etymologie. Und immer wieder der Blick aus dem Fenster. Die Tageszeiten, die Jahreszeiten, wechseln.
Die Autorin durchstreift die drei Jahre der Pandemie. Auf ihren Wegen durch die Stadt, über die Lande und schreibend auf dem Blatt Papier. Alltägliche Beobachtungen, vielschichtige Momentaufnahmen einer Zeit, als der vertraute Alltag fragil wurde.
Humorvoll, ein wenig schräg, phantasievoll und sprachgewandt schreibt Irene Wondratsch über diese Zeit, die alle ähnlich und letztendlich doch sehr unterschiedlich erlebt haben.
Brigitta Höpler, Juni 2023
Für die Rezensionen sind die jeweiligen VerfasserInnen verantwortlich.
Irene Wondratsch: Kein Flugzeug am Himmel. Momentaufnahmen
Wien: Sisyphus 2023
164 Seiten
14,80 Euro
ISBN 978–3‑903125–76‑6
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