Mein Bruder Janus – Elisa­beth Schönherr

Eine Rezen­sion von Cornelia Stahl

Von der Schwie­rig­keit, das Glück zu finden

Die Zeit der Verluste“, ein Essay von Daniel Schreiber, ist mir noch lebhaft in Erin­ne­rung. Darin reflek­tiert der Autor zurück­lie­gende Verluste und erzählt von der Schwie­rig­keit, ange­sichts welt­weiter Verluste durch Kriege, einen hoff­nungs­vollen Blick auf die Zukunft zu werfen.
Zwischen Hoff­nung und Verzweif­lung bewegt sich auch Esther, die Ich-Erzäh­lerin. Im Alter von elf Jahren verliert sie ihren älteren Bruder, der von der Dach­ter­rasse stürzt, als er bei seiner Freundin Valerie zu Besuch ist. Schuld­ge­fühle und Unge­wiss­heit über den Tather­gang zermürben Esther seither.
Vale­ries Erzäh­lungen deuten auf einen Unfall hin, doch Esther miss­traut den Aussagen der Freundin. In Rück­blenden lässt Esther das Fami­li­en­leben und das gemein­same Aufwachsen mit ihrem Bruder Janus Revue passieren.
Als sie nach fünf­und­zwanzig Jahren Valerie während einer Lesung begegnet, flammen Erin­ne­rungen an ihren Bruder auf und Esther beschließt, die Gründe des Sturzes von der Dach­ter­rasse  noch­mals in Erfah­rung zu bringen, und sie zu rekon­stru­ieren. Zudem erin­nert sie sich an seine Eigen­heiten, seine gele­gent­liche Verschwie­gen­heit, die ihr und der Mutter Dorota Rätsel aufgaben.
Lass mich, hatte Janus oft gesagt, wenn Dorota
oder ich uns in sein Leben einge­mischt hatten.

In den Folge­wo­chen entzieht sich Valerie Esthers wieder­holten Befra­gungen. Im Subtext  zeigen sich jedoch Gemein­sam­keiten beider Frauen. Jede für sich sucht nach einem erfolg­rei­chen und glück­li­chen Leben. Valerie ringt seit Jahren um ihren erfolg­rei­chen Durch­bruch als Schau­spie­lerin. Esther hofft auf zahlungs­kräf­tige Kunden in ihrem Anti­qui­tä­ten­ge­schäft.
Im Ringen um ein glück­li­ches und erfolg­rei­ches Leben verhin­dert ein Hinter­grund­rau­schen beiden Frauen den Weg. Unbe­wäl­tigte Trau­mata aus der Vergan­gen­heit tauchen unver­mit­telt auf. Den Leer­stellen in ihrem Leben spüren Esther und Valerie nach, suchen nach indi­vi­du­ellen Lösungen. 

Elisa­beth Schön­herr, geboren 1971 in Tirol, studierte Verglei­chende Lite­ra­tur­wis­sen­schaft. Mit fein­füh­liger sprach­li­cher Gestal­tung erzeugt die Autorin eine Atmo­sphäre der Dring­lich­keit, die dem Lesenden die Geheim­nisse unter der Ober­fläche vermit­telt. Unge­löste Konflikt­felder, jahre­lang mitge­tragen, beein­flussen den Fort­gang des Lebens unbe­wusst. Ein atmo­sphä­risch aufge­la­dener Roman, der Themen wie Suizid, Verlust, Fami­li­en­be­zie­hung und Erin­ne­rungen umkreist.
Unbe­dingte Leseempfehlung!

 

Cornelia Stahl, Januar 2025

Für die Rezen­sionen sind die jewei­ligen Verfasser:innen verantwortlich.

 

Elisa­beth Schön­herr: Mein Bruder Janus
BoD: Norder­stedt 2024
15,41 Euro
ISBN: 978–3759775733 

 

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