Schicht­ge­dichte – Eva Maria Gintsberg

Eine Rezen­sion von Maria Aschenwald

Die Schichten sind schon am Einband haptisch erlebbar: das Glatte und das Raue – Leinen und Lack inein­ander geschichtet. Sprach­lich sind die Schichten Stan­dard­deutsch und Dialekt. Eine feine lyri­sche Hoch­sprache und der raue Dialekt, inein­ander verwoben, erzeugen eigene Klang- und Sprach­bilder: Bilder von Heimat und Natur, poetisch und stim­mungs­voll, von Liebe und (Er-)Leben und die Schicht dazu oder darunter – das Fremde, Miss­traui­sche, Grobe, mitunter Brutale.
In einem kleinen Dorf im touris­ti­schen Tiroler Unter­land aufge­wachsen, wech­selte die Autorin schon als Kind ganz selbst­ver­ständ­lich zwischen den beiden sprach­li­chen Welten, dem Dialekt der Einhei­mi­schen und der Hoch- („Schön“-)Sprache der vornehm­lich deut­schen Touristen. In ihrem Lyrik­band „Schicht­ge­dichte“ finden sich Dialekt­pas­sagen und ‑wörter einge­streut in eindring­liche Erlebnis- und Erin­ne­rungs­bilder und Gedichte, in denen Hoch­sprache und Dialekt inein­ander geschichtet sind. Visuell durch Schriftart und Grau­stufe vonein­ander abge­grenzt und sprach­lich inein­ander verwoben, ergeben sich über­ra­schende Lese­mög­lich­keiten und Lebens­wirk­lich­keiten in einem Wech­sel­spiel faszi­nie­render lyri­scher Dialoge und Sprach­bilder.
bist aufn hund kemma/   vater/mutter/kind/ene/mene/meg/    was schaugstn so scheps/ wer hat das Wort/ wer schneidet    a so a bleds dreigschau/    das brot/ wer trinkt das letzte Glas/……“(S 11 „dahoam“ )
Die Dialekt­pas­sagen sind über­setzt und somit auch für Unkun­dige gut verständ­lich. Dabei geben sie der Sprache aber eine Unmit­tel­bar­keit und Deut­lich­keit, wie sie nur im Dialekt zu finden sind. Ein Link macht die von der Autorin gespro­chenen Gedichte auch als Hörbuch abrufbar.
Eva Maria Gint­s­berg gelingt es in diesem einzig­ar­tigen und liebe­voll gestal­teten Gedicht­band, wunderbar poeti­sche Bilder zu erzeugen „in den endlos / warmen sommer­tagen / mit der lange­weile / arm in arm um die / wette laufen….“ (S 8 „blick“). Gleich­zeitig wird das idyl­li­sche Heimat­kli­schee hinter­fragt, gebro­chen und die Enge des länd­li­chen Milieus mit seinen Rollen­bil­dern und Über­grif­fig­keiten thema­ti­siert – eine gelun­gene Verflech­tung von Heimat­liebe und Heimatkritik.

Eva Maria Gint­s­berg, geboren 1966, lebt in Scheffau in Tirol. Sie ist ausge­bil­dete Schau­spie­lerin und hat Lite­ra­tur­wis­sen­schaften studiert.
Von ihr bisher erschienen: „Schicht­ge­dichte“ 2023; „Herr Klein“ Roman 2021; „Die Reise“ Erzäh­lung 2020.

 

Maria Aschen­wald, Februar 2025

Für die Rezen­sionen sind die jewei­ligen Verfasser:innen verantwortlich.

 

Eva Maria Gint­s­berg: schicht­ge­dichte
Inns­bruck: edition himmel bei Limbus 2023
88 Seiten
19 EURO
ISBN 978–3‑903667–04‑4

 

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