Mir kommt die Hand der Stunde auf meiner Brust so ungelegen, dass ich im Lauf der Dinge beinah mein Herz verwechsle – Isabella Breier
Eine Rezension von Laura Nußbaumer
Nicht noch ein Liebesgedicht? Gut, dann lies doch das neue Werk von Isabella Breier. Das mit dem langen Titel. Genau. Der fängt auf der Vorderseite an und macht auf der Rückseite weiter. Keine Sorge, die Gedichte haben nicht alle so lange Titel, nur manche.
„Mir kommt die Hand der Stunde auf meiner Brust so ungelegen, dass ich im Lauf der Dinge beinah mein Herz verwechsle“ klingt selbst wie Poesie und kleidet fabelhaft die Gedichte im Inneren des Bandes ein. In zwölf Kapitel aufgeteilt wird man durch „Reichtumsgründe“ vom „Ruf um nachts um halb rot“ über den „Tellerrand hinaus“ ins „Traumschluchtenland“ getragen.
Dabei wandern die Themen von Dohlen und Dädalus mit Alliterationen; zu Anglizismen in den Jahreszeiten; weiter zu „Dickicht, inzwischen in Finsternis, immer licht“ immer mit „i“ bis zu den Gedichten, die nicht davor zurückschrecken Worte zu unterstreichen oder die Schriftart zu wechseln um die LeserInnen davon zu überzeugen, dass Poesie aus mehr als nur Reimen über Rosen besteht.
Manche Gedichte spielen in Wien, manche im Urlaub, manche an ganz anderen Orten. Ohne, dass genau definierende Begriffe wie „Frühling“ in einem Jahreszeitengedicht erwähnt werden müssen, hat man sofort klare Bilder im Kopf, ist von einer besonderen Atmosphäre, die jeder Text für sich selbst schafft, umgeben.
Mit kräftigen Wortbildern und eindringlichen Neologismen ziehen die Texte die LeserInnen von Neuem und Neuem in eine fremde Welt, wo alles ein bisschen quer ist und nur „halbwegs Klartext“ herrscht.
„Vor allem prosaisch“ sind die Gedichte manchmal kurz, manchmal lang, oft „arrhythmisch“, dann wieder mit einem Stakkato-Takt, der die LeserInnen geradezu durchs Lesen treibt. Von „glory days“ und „a dream, my dear, a fullmoony dream” erzählen die Gedichte bald wieder mit beruhigendem oder auch beunruhigendem Ton. Ohne Reim kommen die Texte mit einem Bild, einem Duft, einem Soundtrack und einem Wesen, das man begleiten möchte.
„Mir kommt die Hand der Stunde auf meiner Brust so ungelegen, dass ich im Lauf der Dinge beinah mein Herz verwechsle“, ich muss es noch einmal sagen. 300 Seiten Lyrik müssen gut rationiert werden, wenn jeder Text zu einer Reise einlädt. Gedichte über Heilkräuterpotpourri, Sonntagsausflüsse, den bloody BABE-Kollektivvertrag, Träume ein und derselben REM-Phase, Silbenspinnen und Morgeneulen und dazwischen vielleicht doch das eine oder andere Liebesgedicht.
Laura Nußbaumer, Juni 2019
Für die Rezensionen sind die jeweiligen VerfasserInnen verantwortlich.
Isabella Breier: mir kommt die Hand der Stunde auf meiner Brust so ungelegen, dass ich im Lauf der Dinge beinah mein Herz verwechsle
Wien: fabrik.transit, 2019
328 Seiten, 13 farbige Abbildungen
EUR 17,00
ISBN 978–3‑903267–03‑9