O.M. – Florian Gantner
Eine Rezension von Laura Nußbaumer
Wie gut kennt man einen Menschen nachdem man sein Buch gelesen hat?
Florian Gantner geht in seinem Roman „O.M.“ den großen SchriftstellerInnen der Welt auf die Spur indem er deren Lebenswerke und Biografien durchforscht, deren Geburts- und Sterbeorte aufsucht. So realistisch wie möglich werden die Lücken in ihren Tagebüchern oder die Funkstille im Briefverkehr mit unglücklichen Liebschaften, Schreibblockaden und der Suche nach Inspiration ausgefüllt.
In abwechslungsreicher Sprache tauchen Leser und Leserin in die Gedankenwelt verschiedener SchriftstellerInnen ein. Jedes Kapitel ist einem Künstler oder einer Künstlerin gewidmet und erzählt abwechselnd von ihnen und von der Recherchejagd des Protagonisten. Selbst LeserInnen, denen nicht alle der erwähnten SchriftstellerInnen bekannt sind, werden ein interessanter Einblick in die Welt der Literatur geboten und die KünstlerInnen hinter ihren Werken auf menschlicher Ebene nähergebracht.
In den erdichteten Beziehungen der Dichter Rousseau, Austen, Gogol, Puschkin, Tschechow und noch weiteren erspinnt sich der Protagonist der Geschichte einen roten Faden, der direkt zu seinem ihm ungekannten Vater und so zu ihm selbst führt.
Immerhin ist es nicht völlig unmöglich mit sämtlichen großen Schriftstellern auf die eine Art und Weise in Verbindung zu stehen. Anstatt aber direkt von den Dichtern abzustammen, sucht sich Gregor Reichelt ihre unbekannten Brüder, Diener und Sekretäre. Ganz wie die große Furcht der Künstler zwar ein Leben des Schaffens zu hinterlassen, aber immer im Schatten von jemandem zu stehen, der es direkt daneben zu viel größerer Bekanntheit, Ruhm, viel größerer Kunst gebracht hat.
Ganz zu Anfang fragt man sich, was die Abkürzung „O.M.“ bedeuten könnte und wird im Laufe des Romans mit vielen Antworten belohnt. Auch „O.M.“ spiegelt die Unsicherheit des Protagonisten Gregor wieder, legt er doch sein ganzes Leben in dieses Werk, so dass es einer Autobiografie ähnelt, in der der Protagonist selbst nur der Erzähler der Geschichten anderer, größerer Künstler ist.
Einerseits eine Kritik daran, dass Menschen ihr Leben für die Kunst hingeben, am Rande stehen und anderen beim Leben zusehen, das Glück, die Liebe, die Gesundheit vernachlässigen und oftmals zu früh versterben. Andererseits der Wunsch danach, selbst eben diesem Schicksal zu folgen. Der Künstler wird zur Randfigur der eigenen Existenz, die sich um erfundene Romanfiguren dreht und vielleicht steht „O.M.“ tatsächlich für „Ohne mich“.
Laura Nußbaumer, April 2019
Für die Rezensionen sind die jeweiligen VerfasserInnen verantwortlich.
Florian Gantner: O.M.
Innsbruck: edition laurin, 2018
376 Seiten
EUR 24,90
ISBN 978–3‑902866–67‑7