Romane schreiben – Gustav Ernst / Karin Fleischanderl
Eine Rezension von Britta Mühlbauer
Seit ich Anfang der 1980er den ersten Schreibratgeber gelesen habe (ein Creative-Writing-Manual, in amerikanischen Buchhandlungen im Überfluss vorhanden), erwarte ich von diesen Büchern, dass sie zum Schreiben animieren, Handwerkszeug vermitteln, das eine oder andere Aha-Erlebnis bescheren, trösten, motivieren, Textbeispiele bringen, die zum Lesen anregen, und nicht zuletzt ein wenig Selbstironie. Schließlich sind alle „Schreibregeln“ nur Erfahrungswerte, die von AutorInnen getestet und oft erfolgreich gebrochen werden.
Selbstironisch ist Romane schreiben von Gustav Ernst und Karin Fleischanderl nicht. Dieses Buch nimmt sich und seinen Gegenstand sehr ernst. Und die angehenden AutorInnen, an die es sich vorzugsweise richtet, müssen sehr viel müssen.
Auch mit Ironie, Humor und Komik, denen zwar ein Kapitel gewidmet ist, hat dieser Ratgeber wenig am Hut. Dem Komischen wird allenfalls eine tröstliche, beschwichtigende Rolle zugestanden, dabei ist Komik alles andere als affirmativ.
Jeder Schreibratgeber hat eine Vorstellung vom idealen Text. Der hier angepeilte ist: klar, verständlich, ökonomisch und objektiv, die Sprache musikalisch, treffsicher, ausgewogen, präzise, witzig, dicht, knapp, intensiv, anschaulich, elegant …, wobei darauf hingewiesen wird, dass diese Vorgaben Orientierungsmarken sind, von denen aus jede AutorIn ihren Weg finden muss.
Der Genreliteratur wird unterstellt, sie könne den postulierten literarischen Ansprüchen nicht genügen. Schade, wenn man bedenkt, wie viele Krimis, Thriller, phantastische, SciFi- und Liebesromane hervorragend geschrieben und Teil der Weltliteratur sind.
Bei aller Ernsthaftigkeit und Strenge wartet Romane schreiben aber auch mit Kapiteln auf, die von der Last und der Lust des Schreibens berichten. Da ist die Rede von Frustration, Rückschlägen, Versuch und Irrtum, von Ausdauer, Kontinuität aber auch der Freude am Gelingen. Das kennt man, das erlebt man bei jedem Roman wieder und es tröstet, wenn man liest, dass es bei anderen AutorInnen genauso ist.
Was das Handwerkszeug betrifft, vermittelt dieser Ratgeber Basiswissen zu Dramaturgie, Spannungsaufbau, Erzählperspektive, Plausibilität, zur Auswahl relevanter Details und deren literarischer Verarbeitung.
Erfreulich ausführlich ist das Dialog-Kapitel, das sich mit dem Unterschied zwischen Alltagsdialog und literarischem Dialog ebenso auseinandersetzt wie mit formalen Kleinigkeiten, mit denen man sich am Anfang herumschlägt. Außerdem offeriert es eine Dialog-Typologie, die für Zweifelsfälle als Entscheidungshilfe dienen kann.
Die meisten Beispieltexte im Buch sind extra für den Ratgeber geschrieben. Da wären mehr Primärtexte wünschenswert gewesen, zumal mehrfach betont wird, wie wichtig das Lesen als Voraussetzung für das Schreiben ist.
Im Kapitel Katastrophen im Text geht es um sprachliche Sorgfalt, zum Beispiel um das Aufspüren von sprachlicher Effekthascherei, die zu literarischem Kitsch oder unfreiwilliger Komik führt. Da möchte man doch gleich aufstehen und die eigenen Texte auf derartige Unarten prüfen.
Romane schreiben ist für SchreibanfängerInnen gedacht, hat aber auch routinierten AutorInnen etwas zu bieten. Für SchreibpädagogInnen ist es allemal interessant. Die kategorische Strenge dieses Ratgebers fordert dazu heraus, die eigenen Konzepte zu überdenken und klar zu formulieren.
Das Schlusskapitel des Buchs gibt Tipps für die Verlagssuche und entlässt die angehenden AutorInnen mit der Aufmunterung: Ein wirklich gutes Manuskript ist tatsächlich noch nie in der Lade liegen geblieben. Möge dieser Ratgeber Recht behalten!
Britta Mühlbauer, Mai 2019
Für die Rezensionen sind die jeweiligen VerfasserInnen verantwortlich.
Gustav Ernst/ Karin Fleischanderl: ROMANE SCHREIBEN
Innsbruck-Wien: Haymon Verlag, 2019
192 Seiten
EUR 19,90
ISBN 978–3‑7099–3474‑6