Seil­tänzer und Zaun­gäste – Jörg Zemmler

Eine Rezen­sion von Petra Ganglbauer

An den Rändern der Wahr­neh­mung und des bewussten Umgangs mit dem Leben, dem Alltag bewegen sich Jörg Zemm­lers leise und unauf­dring­liche Prosa­texte, die alle als Titel Namen enthalten.
Sie wandern am mensch­li­chen Grat zwischen dem Wollen und der Umset­zung, dem Wünschen und der Wunsch­er­fül­lung, der Klar­heit und der Gespal­ten­heit.
Hinter einer bewusst gesetzten Schlicht­heit der Insze­nie­rung verbergen sich oft nicht nur Schmerzen, Uner­füllt­heiten oder Träume, sondern auch ganze Paral­lel­welten, wie etwa jene Werners, der obgleich Beamter, eine große Passion gegen­über der Vogel­welt hat. Diese Hinwen­dung lässt ihn über die Über­schau­bar­keit seines eigenen Lebens hinaus­wachsen.
Oder Gerhard, dem das Trau­rig­sein das Glück verstellt, und der in einer kurzen Sequenz der Betrach­tung seines Gesichts vor dem Spiegel Erlö­sung im Lächeln findet.
David wiederum, Schrift­steller, dem das „Müssen im Weg“ ist, kann sich nicht über seine Arbeit und deren Resultat freuen, obgleich er bereits eine Verlags­zu­sage hat.

Ein Geheimnis von Lite­ratur, welches die Lese­rinnen und Leser in Span­nung hält, ist stets das Durch­queren der Erwar­tungs­hal­tung. Genau dies ist bei Jörg Zemm­lers neuem Buch der Fall.
Es sind kleinste Wendungen im Verlauf der Geschichten, zudem arbeitet der Autor da und dort mit dem Verde­cken von dem wovon die Rede ist.
Er schreibt dann fast geheim­nis­voll um eine Sache herum, die nie ausge­spro­chen wird, etwa im Text „Magda“.

Ein Buch, das (Lebens-)Geschichten enthält, die in ihrer Tiefe den Lesenden als Iden­ti­fi­ka­ti­ons­grund­lage dienen können.

Petra Gangl­bauer, Oktober 2019
Für die Rezen­sionen sind die jewei­ligen Verfas­se­rInnen verant­wort­lich.

Jörg Zemmler: Seil­tänzer und Zaun­gäste
Klever Verlag, Wien, 2019
224 Seiten
EUR 24,00
ISBN 978–3‑903110–53‑3

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Jörg Zemmler unter­richtet den Work­shop „Text & Performance“